Der Schmerz sitzt tief, und manche schleppen ihn sogar Jahrzehnte mit. Lieblosigkeit, fehlende Anerkennung, Ablehnung, andauernde Maßregelungen, eventuell sogar Gewalt oder seelischer Missbrauch in der Kindheit etc. – das alles hinterlässt Spuren im Organismus und hat auf die Gegenwart einen weitreichenden Einfluss…
Gleich vorweg, ich habe kein allgemeingültiges Patentrezept, wie man Menschen vergeben kann - dafür aber einige Vorschläge, die vielleicht Dein Bewusstsein braucht, wenn Dir klar geworden ist, dass Du Probleme mit dem Thema „Vergebung“ hast.
Übrigens war es die Mail eines Ratsuchenden, die mich zu diesem Blogartikel veranlasste. Er stellte die berechtigte Frage: „Wie kann ich meiner Mutter vergeben, wenn sie mir den Tod gewünscht hat, als sie mit mir schwanger war?“
Wie viele Mamis wurden früher ungewollt schwanger und versuchten, einen Abgang herbeizuführen, um den Fötus loszuwerden? Ich kann mich als Mann nur schwer in die Lage dieser Frauen versetzen, aber ich kann einigermaßen nachvollziehen, dass ein Kind den Lebenslauf komplett auf den Kopf stellt und eine ungeplante Schwangerschaft einen schockähnlichen Zustand bewirken kann.
Der Embryo – der zwar erst im Werden ist, nimmt meiner Überzeugung nach schon alles wahr, was sich im System seiner Mama abspielt. Denn mit der Zeugung inkarniert die Seele in einen Körper, eine Seele, in der bereits ungeheuer viel veranlagt ist. Ihre besondere Fähigkeit ist das Fühlen! Somit fühlt das Kind bereits, unabhängig davon, ob der Körper richtig ausgebildet ist. Es bekommt im Bauch z. B. das ablehnende Gefühl der Mutter mit.
Ich frage mich gerade: Bekommen dadurch die meisten ungewollten Kinder ihren Knacks weg? Bestimmt, wenn die Schwangere nicht irgendwann umschwenkt und akzeptiert, dass da neues Leben entstehen will, welches sich Liebe und Anerkennung wünscht!
Kann die Theorie der Reinkarnation helfen, unser Schicksal besser anzunehmen?
Wenn du an Reinkarnation glaubst, dann dürftest Du davon überzeugt sein, dass die allermeisten Seelen bereits viele Male gelebt haben. Sie lernen in jeder neuen Inkarnation immer wieder dazu und nehmen alle Erkenntnisse und alles Erlernte mit ins nächste Leben...
Vielleicht hilft Dir dieser Gedanke, das anzunehmen, was Dir in der Vergangenheit passiert ist. Ich glaube nämlich, dass sich die Seele in der geistigen Welt – lange Zeit vor der Geburt – ihre Eltern und ihr Umfeld, in das sie hineingeboren wird, aussucht. Untereinander spricht man sich in den „hohen Sphären“ ab: „Du wirst meine Mutter, Du wirst mein Vater, und ich werde euer zweites Kind… und, und, und“…
Die Theorie der Wiedergeburt und das Argument, dass jede Seele (abhängig von ihrem Karma) für ihr nächstes Leben eigenverantwortlich ihre Wahl trifft, hilft meines Erachtens, sein Schicksal besser anzunehmen.
„Ich habe diese Erfahrung vor meiner Inkarnation gewählt“ ist hilfreicher als: „Warum muss ich so etwas erleben? Meine Eltern sind schuld, dass ich ein verkorkstes Leben habe…“
Gemeinsam sollen gewisse Erfahrungen gemacht werden – nicht nur positive. Dem rationalen Verstand erschließt sich nur nicht gleich der Grund. Vielleicht ahnst auch Du, dass es einen großen Plan gibt, was jede Seele in sich zu entwickeln hat!
Doch die Seele vergisst die Abmachungen wieder, sobald sie auf der Erde ankommt und den Geburtsprozess durchmacht. Ist das Leben eigentlich nur ein einziges Erinnern?
Ich weiß es nicht genau, warum wir uns negative Erlebnisse aussuchen (müssen).
Und ich möchte nicht mit der Begründung kommen: „Wenn Du an Wiedergeburt und Karma glaubst, dann hast Du wahrscheinlich etwas wiedergutzumachen und musst das erleiden, was Du früher anderen angetan hast…“
Bei Anhängern des Buddhismus ist diese Meinung weit verbreitet. Diese Argumentation ist für mich aber wenig einfühlsam, und eigentlich trennt man damit die Menschen in zwei Kategorien – in gut und nicht gut: „Du warst früher schlecht, deshalb erlebst du ganz nach dem Gesetz des Karmas in deinem nächsten Leben etwas Schlechtes…“
Höchstwahrscheinlich steckt besonders im Negativen das höchste Entwicklungspotenzial. Das ist meine Überzeugung: Die Seele will sich weiterentwickeln, und dazu braucht sie Grenzerfahrungen!
Es scheint dauerhafte/n Frieden, Freude, Liebe und Sonnenschein nicht zu geben, und wer weiß: Vielleicht machen wir dramatische Erfahrungen durch, um die Wertschätzung dafür zu
entwickeln, wenn es uns wieder gut geht, wenn wir uns wohl fühlen und wissen:
„Das Schlimmste ist überstanden, und ich bin durch die Erfahrungen gewachsen und stärker geworden! Ich wurde gezwungen zu springen und musste meine Komfortzone verlassen. Das hat mich
verändert und mutiger gemacht.“
Es ist wundervoll, wenn man ein liebevolles Umfeld hatte.
Wer als Kind von seinen Eltern geliebt wurde, auch Liebe von seinen Großeltern bekam, von seinen Mitmenschen Anerkennung, Wohlwollen und Wertschätzung erhielt, der kann mit Leichtigkeit diese Energie weitergeben. Ich glaube, das Leben ist dann einfach angenehmer, und man begegnet den „Wirbelstürmen“ gelassener und mit mehr Vertrauen.
Trotzdem hat jeder Mensch früher oder später Herausforderungen zu meistern und steht nicht selten vor gewaltigen Hürden oder wird durch bestimmte Ereignisse in eine Krise gestürzt.
Jetzt stell Dir einen Menschen vor, der all dieses Angenehme nicht hatte, der lieblos behandelt wurde, gelitten hat, vielleicht schon gar nicht mehr weiß, wie sich bedingungslose Liebe und Angenommensein anfühlen. Dieser Jemand sehnt sich garantiert (oder erst recht) nach diesen Qualitäten, er will sie erfahren. Seine Seele weiß, dass in ihrem tiefsten Inneren ein Funke existiert, der die Liebe entzündet, sie wachsen, groß werden lassen und in die Welt senden möchte.
Trotz aller Widrigkeiten und auf seinen Weg gerollten Steine schafft es dieser Mensch, sein Leben zu verändern, seine Vision wahr werden zu lassen und andere zu lieben – Liebe zu leben. Offensichtlich sind in seiner Seele starke Kräfte wirksam, so dass er Hindernisse und schlechte Startbedingungen überwinden konnte… Ich bewundere Menschen, die das geschafft haben!
Mein Vater erzählte mir einmal, dass sein Vater sehr streng war und ihn sogar schlug. „Ich habe mir daraufhin fest vorgenommen, dass ich meine Kinder niemals schlagen werde!“
Deshalb bin ich stolz auf meinen Vater, denn tatsächlich hat er meinen Zwillingsbruder und mich nie geschlagen. Seine eigenen negativen Erlebnisse manifestierten in ihm den festen Willen, das Negative nicht einfach weiterzugeben… Danke Papa, dass Du diese Stärke in Dir entwickelt hast!
Was heißt eigentlich Vergebung?
In meine Praxis kommen sehr viele Menschen, die aufgrund ihrer früheren Erfahrungen fast schon wie zerbrochen wirken. Sie können nicht vergeben. Ich versuche dann immer Folgendes zu vermitteln:
- Vergeben heißt nicht, dass Du das Geschehene toll finden sollst.
- „Ich vergebe dir“ bedeutet: „Ich beschließe, die Vergangenheit nicht mehr zu bedauern / nicht mehr mit ihr zu hadern.“
- „Ich bin bereit zu vergeben“ steht für: „Ich schließe mit der Vergangenheit ab und starte neu. Ich wünsche mir Frieden und mache den ersten Schritt…“
- Vergebung ist nicht gleichzusetzen mit: „Ich finde richtig, was du getan hast“, sondern wenn Du jemandem vergibst, entscheidest Du, nicht mehr unter den Folgen seiner Taten zu leiden.
- Jemanden zu vergeben – dazu gehört auch Akzeptanz. „Es ist wie es ist!“ Das ist die Anerkennung des Geschehenen als Tatsache, auch wenn es Dir überhaupt nicht gefallen hat oder Du mit schmerzhaften Gefühlen konfrontiert wurdest. Dabei hilft es dir, auf Bewertungen deines Verstandes und die Einteilung in gut oder schlecht zu verzichten.
- Mit Vergebung entscheidest Du neu! Du gibst Deinen Widerstand auf und machst damit möglich, dass Du wieder mit dem Strom des Lebens fließt.
- Wer vergibt, der steigt aus seiner bisherigen Opferrolle aus. Man hört mit seinen Schuldzuweisung auf. Schuldige zu suchen bringt nicht weiter. „Du hast durch deine Taten mein Leben kaputt gemacht“ gilt somit nicht mehr…
Übrigens: Es geht nicht darum, die Menschen, die Dich verletzt haben und denen Du vergeben möchtest, zu lieben!
Jemandem zu vergeben heißt für mich, mit dem Kämpfen aufzuhören!
Solange ich nicht vergeben kann, bin ich im Kampfmodus. Ich kämpfe gegen meine Widersacher, und als Kämpfer bin ich auch Täter. Ich versuche meistens gewaltsam, meine Bedürfnisse zu stillen, ich versuche mit aller Macht, den Menschen, die mich verletzten, begreiflich zu machen, was sie angerichtet haben…
Ich weiß, es ist bestimmt kein Kinderspiel: Aber mit der Energie des Kampfes kann man keine wohlwollende Haltung entwickeln, die dabei hilft zu sagen:
„Ich nehme meine Erfahrungen an – auch wenn ich sie als unschön empfinde!“
„Ich akzeptiere die Menschen mit ihren Schwächen und versuche zu verstehen, warum sie nicht anders handeln konnten!“ (Denn oft sind Täter ebenfalls nur Opfer von Tätern…)
Den Kreislauf „Wie du mir, so ich dir“ zu durchbrechen, das geht nur, wenn die Seele Kräfte in sich entwickelt, die den Willen stärken, etwas in Zukunft anders bzw. besser als andere zu machen…
Als Impulsgeber und energetischer Berater versuche ich, Menschen, die es bisher nicht konnten, für die Vergebung zu öffnen.
Dabei bemühe ich mich, mit dem Klienten herauszufinden, was zwischen ihm und seinem Konfliktpartner z. B. das Verbindende gewesen ist. Welche Gemeinsamkeiten gab es?
Geht es um Liebespartner: Was waren die Gründe, warum man sich einmal geliebt hat? Das fördert die Haltung, trotz aller Widrigkeiten den göttlichen Funken in jedem zu sehen.
Manchmal muss man einfach herausfinden, welchen Grund es für das Fehlverhalten des Streitpartners gab. Wir alle reagieren aufgrund verschiedenster Gewohnheitsmuster, negativer Erfahrungen, Druck Angst oft anders, als wir es eigentlich gerne tun würden. Dieses Verständnis zu entwickeln hilft bei einer Kehrtwende bzw. der Auflösung von Streit…
Ein Therapeut oder energetischer Berater kann niemandem durchschlagend helfen, der nicht bereit ist, Offenheit für die Vergebung zu entwickeln und, noch besser, seinen „Peinigern“ zu vergeben. Und genauso: Wer immer auf Kampf gepolt bleibt und nicht aussteigt, der kann keinen inneren Frieden erfahren…
Für mich steht fest: Es reicht nicht dass der Verstand beschließt oder sich einredet: „Ich vergebe“, denn Vergebung kann nur im Herzen entstehen.
Wer bereit ist, sein Herz (wieder) zu öffnen und zu lieben, dem wird es gelingen!
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Conny (Mittwoch, 21 März 2018)
Lieber Robert,
herzlichen Dank für Deine Gedanken. Ja, vergeben befreit die Seele und öffnet den Blick nach vorn und für neue bessere Erfahrungen, dass kann ich bestätigen. Vergebung klingt immer so religiös, aber jeder von uns sollte es lernen. Wobei ich nicht weiß, ob man Vergebung lernen kann. Ich kenne liebe Menschen die einfach nicht vergeben konnten und am Ende daran zerbrochen sind. Aus meiner Sicht würde ich sagen, die Seelen haben sich zurückgezogen...?
Ich versuche es für mich und mir geht es gut damit, auch wenn andere mich fragen: Wie kannst Du das so hinnehmen und nicht kämpfen?
Es hat viel mit Annehmen und Akzeptieren zu tun. Es ist wie es ist. Was geschehen ist, kann man nicht ändern. Aber für sich entscheiden, es künftig anders geschehen zu lassen.
LG Conny
Seelenforscher.eu (Mittwoch, 21 März 2018 10:10)
Liebe Conny,
vielen Dank für Deine Gedanken, ich freue mich darüber :)
Stimmt! "Vergebung" assoziieren viele mit "religiös". Ich kann Dir nur zustimmen. Meine Auffassung ist: Jeder kann vergeben, diese Fähigkeit hat jede Seele. Nur entscheidet jeder selbst, ob er Vergebungsbereitschaft entwickelt, und es ist abhängig von der Größe der Verletzung bzw. der Schwere des Erlebten. Wenn die negativen Emotionen tief sitzen und Opfermentalität sowie Schuldzuweisungen im System des Leidenden präsent sind, wird es schwer mit der Vergebung....
Auf jeden Fall vielen Dank für "Annehmen und Akzeptieren und nicht kämpfen"! Das versuche ich auch immer wieder als Inspiration einzuwerfen. Wozu Kämpfe führen können, sehen wir tagtäglich in den Medien, wenn sich die Völker bzw. Regime gegenseitig bekämpfen...
Liebe Grüße
Robert