"Du bist schuld!"

Bildnachweis: Stock-Fotografie-ID:513252466 - many thanks to "fasphotographic".
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Dieser Satz tut in der Seele weh, fühlt sich ungeheuer schwer an und tötet jede Lebensfreude. Zumindest empfinde ich es so. Du hast diese Aussage sicherlich schon irgendwann einmal in einem Streit gehört. In der Regel reagieren Menschen so:

 

Entweder sie sträuben sich vehement gegen diese Form der Beschuldigung, und die Auseinandersetzung eskaliert erst recht, oder sie glauben tatsächlich, dass sie schuldig sind. Letzteres lässt Gefühle der Minderwertigkeit und Scham hochkommen, die hauptsächlich in der Kindheit entstanden sind. Später im Erwachsenenleben sorgen diese meist unbewussten Emotionen für Spannungen in Beziehungen.

 

Leichtigkeit und Gelassenheit? Fehlanzeige!

 

 

Das Problem ist: Die Aussage "Du hast schuld!" benutzen viele als Manipulationsform, um jemanden kleinzukriegen. Das ist ganz und gar nicht integer! Der Kritisierte soll sich schlecht fühlen. Derjenige, der dieses Urteil gesprochen hat, zielt beim anderen darauf ab, eine Verhaltensänderung zu erreichen. Es gelingt, je empfänglicher das Gegenüber für Schuldzuweisungen ist.

 

 

Starke Schuldgefühle in der Kindheit...

Als Kind war ich überaus aufnahmebereit für strategische Erziehungsmaßnahmen, denn ich hatte ein geringes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Ich glaubte den Erwachsenen und folgte bereitwillig ihren Anweisungen und Aussagen. Ob Eltern, Lehrer oder andere Bezugspersonen, sie waren für mich Autoritäten, denen man nicht widersprach. (Ich war ein braver Junge!)

 

Ein Gefühl begleitete mich in diesen Jahren ständig: Angst! Hauptsächlich die Angst vor negativen Reaktionen der Erwachsenen. Ganz schlimm fand ich, laut angeschrien zu werden. Mir fehlte einfach der Mut und die Stärke, mich in solchen Situationen zu wehren. Wahrscheinlich, weil es mir keiner beibrachte. Auch wenn sich etwas für mich nicht gut anfühlte und ich ungerecht behandelt wurde, ich hinterfragte es nicht, und ich wehrte mich nicht.

 

Der kleine Robert glaubte sehr schnell, dass er an allem schuld sei, wenn jemand böse wurde oder irgendetwas Unangenehmes passiert war. Dementsprechend war auch sein Gemütszustand sehr ambivalent: im Grunde zwar fröhlich und gutgläubig, aber dennoch häufig traurig und melancholisch - ja fast schon mit depressiven Tendenzen.

 

Ehrlich gesagt, denke ich im Hinblick auf meinen Emotionshaushalt nicht gerne an meine Kinderzeit zurück, obwohl ich mich von meinen Eltern geliebt fühlte und sie mir alles nur Erdenkliche zur Verfügung stellten.

 

Ich erinnere mich noch gut, wie oft mein Zwillingsbruder und ich uns gegenseitig im Streit beschuldigten. Später erkannte ich: Schon als junger Mensch beginnt man, typische Verhaltensmuster, die einem von den Erwachsenen vorgelebt werden, zu übernehmen, ohne sie zu hinterfragen.

 

 

Es gibt in unserer Gesellschaft eine "Beschuldigungskultur"!

Oder anders ausgedrückt: Sobald ein Problem auftaucht, wird sofort jemand gesucht, den man zur Verantwortung ziehen kann. Auf diese Person projiziert man dann gerne alles Negative und brandmarkt sie damit unter Umständen für immer.

 

Einen Schuldigen zu finden ist auch ganz schön einfach. Man muss nicht erforschen, welchen Anteil man selbst an der Konfliktsituation hatte. Ebenso entsteht keine Notwendigkeit, sich darüber Gedanken zu machen, warum man die negativen Erfahrungen angezogen hat. Dabei bin ich überzeugt:

 

Negative Erlebnisse im Außen (seien es Unfälle, unglückliche Zufälle oder der Kontakt mit aggressiven Menschen) enthalten fast immer die Botschaft, dass sich im eigenen Inneren Disharmonie angesammelt hat. Durch bestimmte überraschende Ereignisse werden sie irgendwann sichtbar. Sie können die Betroffenen erst einmal in einen Schockzustand versetzen, aus dem sich wieder herauszumanövrieren selten mühelos gelingt.

 

Viele Menschen denken jedoch in der Regel z. B. bei einem Unfall: "Der Unfallverursacher hat die Schuld! Ohne ihn wäre das Unglück nicht passiert. Hätte er dieses oder jenes gemacht oder nicht gemacht, dann wäre jetzt alles in Ordnung..."

 

(Warum das eine Illusion ist, führe ich in folgendem Blogbeitrag aus: Unfälle sind wie Krankheiten - Teil 1)

 

So viel Leid bei einem unangenehmen Vorfall entstehen kann: Jeder, der die Schuld bei anderen sucht, macht sich auf die Dauer zum Opfer und blockiert damit meistens alle hilfreichen Heilimpulse, um das Geschehene zu verarbeiten. Die Eigenverantwortung für das, was man (auch unbewusst) in sein Leben gezogen hat, weist man somit von sich.

 

 

Raus aus dem Opferdenken und Schluss mit der Verurteilung!

Früher habe ich selbst viele Mitmenschen für mein Leid verantwortlich gemacht. Meine Mutter beschuldigte ich, weil sie indirekt ihre Ängste auf mich übertragen hatte. Mein Vater war dafür verantwortlich, dass ich mich nicht selbst lieben konnte. Ich verurteilte meine Lehrer, weil sie meine Sensitivität nicht erkannten. Meine Ausbilder in der Kochlehre waren zu autoritär und schuld daran, dass meine Ausbildungszeit die Hölle war...

 

Natürlich verurteilte ich mich schließlich auch noch selbst!

 

Dennoch begriff ich irgendwann:

Aufgrund meiner Resonanz habe ich diese Erfahrungen in mein Leben gezogen. Bewusst (und unbewusst) habe ich mich selbst durch gewisse Entscheidungen in bestimmte Situationen gebracht.

 

Oder ich musste in einem ungeliebten Zustand verharren, weil ich nicht den Mut hatte, Veränderungen einzuleiten. (Bei manchen Menschen manifestiert sich dieser Zustand noch durch die Überzeugung, unangenehme Situationen aushalten zu müssen.)

 

Heute ist mein Motto:

Ich übernehme als Erwachsener die Verantwortung für mein Leben und versuche, damit aufzuhören, Schuld von mir zu weisen...

 

Wen oder was auch immer Du gerade verurteilst, mach Dir bewusst:

 

Schuldzuweisungen trennen.

 

Sie trennen Dich von Dir, erst recht von der Person, mit der Du streitest, von der Liebe, vom Göttlichen und von der Möglichkeit, wieder Frieden zu erlangen und in die Harmonie zu kommen.

 

Wenn Du sagst oder denkst:

"Ich bin schuld! / Jemand ist schuld! / Du bist schuld!..."

wirst Du der Anklagende, der Verurteilende, der Richter, der verhindert, dass Heilung und Vergebung stattfinden kann.

 

Du verstärkst noch die sowieso schon vorhandene Disharmonie in Dir und um Dich herum, die meistens, solange es geht, aus dem Bewusstsein verdrängt wird.

 

 

Wer Harmonie schaffen möchte, der verzichtet auf Schuldzuweisungen.

Genauso ist es auch mit jeglicher Kritik und anderweitiger Verurteilung. Auch wenn es schwer fällt! Wer nicht kritisiert und verurteilt (auch sich selbst nicht), der nimmt an, was sich im Moment zeigt, der wertet nicht, teilt nicht ein in gut oder schlecht, sondern bleibt einfach in der Beobachterposition statt im Drama. Das bedeutet für mich:

 

(Selbst-)Liebe leben!

 

Vielleicht ist das auch die Lösung, um inneren und vielleicht auch äußeren Frieden in der Welt zu fördern: Hören wir am besten auf, Politiker, Mächtige, skrupellose Unternehmensbosse, die Medien usw. verantwortlich für unsere Lage / für unser Leid zu machen. Gerade beim Schreiben dieses Satzes ertappe ich mich dabei, dass ich das hin und wieder immer noch selbst mache! :/

 

Die Lösung kann eigentlich nur sein, im Kleinen das zu leben, was wir uns im „Großen“ (und von anderen) wünschen. Regen wir unser Umfeld an, diese Sichtweise zu integrieren!

 

Mich hat übrigens ein Satz meines Mentors Uwe Albrecht (Arzt und Entwickler des innerwise Systems) sehr inspiriert, der mir immer wieder hilft, mich an das oben Beschriebene zu erinnern:

 

"Es gibt keine Schuld, es gibt nur Erfahrungen!"

 

Diese Haltung nimmt den Druck weg, den eine Verurteilung schafft. Jemanden zu beschuldigen zeugt auch immer vom "Täter-Opfer-Denken". Auch wenn manche verstandesmäßig aufs Schärfste gegen folgende Behauptung rebellieren werden:

 

Das Opfer hat unbewusst den Täter angezogen, um Erfahrungen zu machen und um zu lernen, in sich selbst etwas zu erkennen und zu entwickeln.

 

Menschen, die noch nach dem alten Denkschema vorgehen, könnten jetzt vielleicht schlussfolgern: "Also ist das Opfer selbst schuld..."

 

Nein! Am besten verabschieden wir uns für immer von dem trennenden Wort Schuld und verzichten gänzlich auf Bewertungen.

 

 

 

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Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Patricia (Dienstag, 08 August 2017 11:20)

    Genau so ist es:
    “Es gibt keine Schuld, es gibt nur Erfahrungen.“
    Dem ist nichts hinzuzufügen.
    Namasté

  • #2

    Seelenforscher.eu (Sonntag, 20 August 2017 13:49)

    Danke liebe Patricia :)
    Namasté
    Herzliche Grüße
    Robert :D

  • #3

    egal... (Montag, 17 Dezember 2018 23:16)

    habe hier eben länger geschrieben.... mein Leben bis heute. Alles wieder gelöscht. Interessiert niemanden. Hat und wird es nie.
    Bin nun 52 Jahre alt geworden. Kein Psychologe, kein Psychiater wird dieses Gefühl ändern. Niemals.
    Ich werde keine Suizid begehen, werde aber mit dem Gefühl gehen, eines Tages. Und sicherlich auch damit auf der anderen Seite ankommen. Das Leben ist ein Schicksal. Ich kann es beeinflussen, aber nicht umkrempeln. Jeder, der was anderes behauptet, hat keine Ahnung. Es beginnt damit, wo ich geboren werde. Überlegt Mal scharf nach. Das hat viel damit zu tun, was ich Mal sein werde. Was mich ausmacht. Ob ich jemand bin, der eher gibt, oder eher nimmt.

    Egoisten nehmen. Immer und überall.... Ich will keiner sein. Ich bin lieber für alles verantwortlich. Ich bin gerne schuld. Auch wenn es weh tut.
    Ich bin 52 Jahre alt. Ich habe meine Vater verloren. Mit 1,5 Jahren. Ich hatte eine egoistische Mutter. Narzisstin. Vier Geschwister. Alle leiden darunter. Zwei aus zweiter Ehe.
    Alle haben keinen Kontakt zueinander und zum Elternhaus.
    Mein Kind ging verloren, da war ich Anfang 20. Ich habe sehr gelitten. Bis heute....... Es ging immer so weiter. Beziehung, Ehe, finanziell. Immer und immer. Lebensresumet: Negativ!!!
    Und wer ist dafür verantwortlich? Die Anderen? Wäre zu einfach..... Dann wäre ich ein Egoist, oder Narzisst. Das will un kann ich nicht sein. Lieber bin ich Schuld. An Allem.
    Das ist meine Erfahrung und wird sich nicht ändern.
    Ich bin 52 Jahre. Es hat sich nicht geändert. So sehr ich mich angestrengt habe. Eigentlich habe ich eine positive Lebenseinstellung, doch es holt mich regelmäßig ein. Immer und immer wieder. Es wird sich nicht ändern, egal wie.... egal wann.